Michaela Hajnoczi

Dr. Michaela Hajnoczi, Kunstgeschichte und Germanistik (2006)

„Ich fühle mit den Augen und höre mit der Seele, denke mit dem Herzen! Mit dem Pinsel versuche ich, das wiederzugeben, zu anderen zu sprechen zu erzählen“ ML
Der Betrachter der – in letzter Zeit zunehmend großformatigen – Gemälde von Monika Lederbauer begibt  sich in einen Grenzbereich zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion,  in dem subjektives Gefühl und nicht konzeptionistische  Prinzipien ihn leiten.
Der Zugang zum Dargestellten erfolgt über eine emotionale und unmittelbare Grundhaltung, wie sie auch bei den Impressionisten und unter den Zeitgenossen bei ihrem Wahlverwandten Herbert Brandl zu finden ist, und die den Betrachter in ihren Bann zieht.
Lederbauer, Kind der Fünfzigerjahre, im „ersten Leben“ engagierte Medizinerin bis zum einschneidenden Erleben der eigenen Grenzen durch einen Unfall und  Neuorientierung im Jahr 1997, ist „Spätberufene“. Ein in der Kindheit deutlich erkennbares Talent lag jahrelang verschüttet. Zunächst noch autodidaktisch, dann – der drängenden Zeit bewusst – in zahlreichen, intensiven Lehrgängen, Workshops,  Akademien bei Lehrern wie Fassel, Svoboda, Kaiser, Müller, den Zhou – Brothers etc., arbeitet sie sich in kurzer Zeit zu beachtlicher künstlerischer Reife und Eigenständigkeit heran.
Bald ist sie sich jener Prinzipien bewusst, die ihre Kunst zunächst im Ansatz und schließlich ganz bestimmen: Tiefe, Licht, Energie; die Natur in zentraler Rolle, die Stimmung stets lyrisch, expressiv; großzügig in der malerischen Technik. Konsequenterweise finden sich in Lederbauers farb- und ausdrucksstarken Bildern immer wieder Wasser (Serie Mee/hr), Berge (Serie Blue), sowie die Stimmungen der Nacht (Sternenhimmel – Tagebuch).
„Zauber und Energie der Farben lassen mich nicht mehr los“, schreibt die Künstlerin, „in der Spiegelung durch das bewegte Urelement erhalten die Farben eine enorme Leuchtkraft und starke Sättigung“. Immer wieder fühlt sie sich bewogen, über die unterschiedlichen Zustände des Wassers mit dem Pinsel zu meditieren: Schnee und Gletscher, der Ozean und die atmosphärische Verdünnung im Dunst und sich brechenden Licht. Eine Farbsymbolik durchzieht Lederbauers Werk, dessen Palette häufig auf die Farben blau und weiß reduziert erscheint: Blau als Farbe der Unendlichkeit, Sehnsucht und Weisheit, Weiß als Summe aller unbunten Farben und Farbe des Lichts.
In Zusammenhang mit der Betrachtung des Wassers formuliert die Künstlerin, was sie im Schaffensprozess immer wieder nachvollzieht:  „Es ergibt sich auch in nahezu jedem Moment eine zum Teil völlig neue Bildkomposition“. Dieses Unfertige, im Entstehen und Vergehen Begriffene entwickelt sich zu einem Motor im Schaffen Lederbauers. Jede weiße Leinwand wird so zur Herausforderung, nicht einen konkreten landschaftlichen Ausschnitt, sondern Assoziationen, subjektive Gefühle und Stimmungen darzustellen, die sich unmittelbar dem Beschauer mitteilen, der damit gewissermaßen in das Bild „hineingeht“.
Auch Lederbauers Aktzeichnungen und – malereien entsprechen, was die Haltung zur realistischen Abbildung betrifft, diesen Prinzipien. Hier wird der menschliche Körper und sein plastisches Volumen nicht illusionistisch herausgearbeitet, sondern die Linie ist es, die eine übergeordnete Bedeutung erhält.  Das Konzept ist trotzdem ein völlig anderes als bei der Öl- und Acrylmalerei: hier gibt nicht die Seele, das Sentiment, den Ton an, sondern die Form. Die Linie bekommt eine eigene Dynamik, Grenzen zwischen gleichzeitig dargestellten Gestalten verschwimmen, lösen sich auf.
Aktmalen bedeutet für Lederbauer in erster Linie Erfassung der Form, Disziplinierung, bewusstes Zusammenkomponieren von Körpern, Darstellung von Bewegung. In den rapide wechselnden Stellungen der Modelle wird eine vierte Dimension, die der Zeit, kraftvoll herausgearbeitet. Ähnlich übereinanderkopierten Fotografien werden Körper simultan von unterschiedlichen Blickwinkeln dargestellt und der Betrachter mitten in das Geschehen versetzt. Der präzise Tuschestrich unterstreicht im Verein mit Lavierungen das Verlieren und Wiederfinden der Linie, um die sich hier alles im wahrsten Sinn des Wortes dreht.